LIMINALE ZUSTÄNDE VOR DER EXEKUTION
nach einer Lücke in Friedrich Schillers «Die Jungfrau von Orleans»
REGIE: Marie Schleef
SCHIFFBAU BOX
URAUFFÜHRUNG: 19.09.2025
Eine wahre Begebenheit im 15. Jahrhundert: Von Mai 1430 bis Mai 1431 sass die berühmte wie umstrittene Jeanne d’Arc im Gefängnis und wartete auf ihre Hinrichtung. Ein Jahr, das Friedrich Schiller in seiner 1801 uraufgeführten Bearbeitung des historischen Stoffs ausklammerte. Diese Lücke im Theaterkanon gibt der Regisseurin Marie Schleef den Anlass, dem Schicksal zum Tode verurteilter Frauen* nachzuspüren. (...)
Was wäre, wenn Jeanne heute leben würde? Wie viel Wartezeit müsste Schiller aus der Biografie einer heutigen Johanna streichen? Amnesty International berichtet, dass Frauen* weltweit unverhältnismässig oft in der Todeszelle landen und dort mit Diskriminierung und fragwürdigen Gerichtsprozessen konfrontiert sind. Die meisten dieser Schicksale spielen sich allerdings fern der Öffentlichkeit ab.
Das Stück widmet sich dieser weltweiten Leerstelle. Durch die ästhetischen Mittel des Theaters wird ein Zustand sichtbar, der zumeist durch abgeriegelte Zellen dem öffentlichen Bewusstsein entzogen wird. Marie Schleefs Regiearbeiten bringen auf formal innovative Weise auf die Bühne, was sonst oft im Verborgenen bleibt. Ihre feministischen Arbeiten erkunden die Welt mit der Lupe und kreieren neue theatrale Erzählweisen.
Gemeinsam mit ihrem Team lädt sie für die Eröffnung der Schiffbau Box das Publikum in einen abgeschlossenen Kosmos ein, in dem die Wahrnehmung liminaler Existenz – der Schwebezustand in einer Todeszelle – plastisch erfahren und geteilt werden kann.